NÖN-Redakteurin Carina Rambauske backstage im Gespräch mit Felix Jaehn  |  Anita Kiefer

Felix Jaehn über seine Arbeit & die Suche nach dem Ich Der deutsche Star-DJ Felix Jaehn vor seinem Auftritt am FM4 Frequency Festival über seine Arbeit, seine Art zu entspannen, die Suche nach dem Ich und seinen bevorstehenden Geburtstag

NÖN: In einer knappen Stunde stehst du auf der Frequency-Bühne. Stresst dich das?

Felix Jaehn: Mein Minimum ist dreißig Minuten vor der Show Ruhe. Heute sogar ein kleines bisschen mehr, weil wir hier zur Bühne fahren müssen und dadurch mehr Zeit benötigen. Aber alles ist vorbereitet – meine Crew checkt, ob alles läuft.

Ich muss dann nur sehen, dass ich mich selbst sammle und fokussiere, damit ich dann auch wirklich von der ersten Sekunde auf der Bühne an total da bin und nicht da noch so aus dem Interview raushudle.

NÖN: Hast du ein Aufwärmritual?

Jaehn: Ich habe ein paar Atemtechniken und Mediation-Sachen, um mich dann innerhalb von Minuten noch reseten zu können. Rund um die Show trinke ich nur stilles Wasser und esse auch nichts zu nahe vor Beginn. Vor allem nichts Schweres.

Zehn Minuten vor der Show mache ich auch Dehnübungen, damit die Muskeln auf das Herumgespringe auf der Bühne vorbereitet sind. Wie ein kleines Warmup – wie beim Sport, da ist es ja ähnlich.

NÖN: Und im Anschluss der Show folgt eine Party oder ein Cool-Down?

Jaehn: Da lege ich mich dann meistens nur auf die Couch.

NÖN: Gehst du selbst eigentlich gerne auf Festivals?

Jaehn: Häufig ziehe ich mich nach dem Auftritt noch um und setze Kappe und Hoodie auf, damit mich keiner mehr erkennt, und schaue mir das Festival an.

Weil es natürlich auch schön ist, wenn man etwas von der Atmosphäre mitbekommt: Wie ist das Design des Festivals? Wie sind die Leute drauf? Wie ist der Altersdurchschnitt? Wie ist die Stimmung? Das versuche ich vor oder nach der Show noch aufzusaugen.

NÖN: Wohin geht es nach deinem Auftritt am Frequency-Festival?

Jaehn: Ich habe erst am Montag die nächste Show auf Mykonos. Davor und danach haben wir noch einen Tag für Strand und Pool drangehängt.

NÖN: Du kommst aus einem kleinen Dorf in Deutschland, wo jeder jeden kennt. Wirst du dort aufgrund deiner Bekanntheit nun anders behandelt?

Jaehn: Der Hype ist abgeflacht, jeder hat schon ein Foto gemacht und sie freuen sich einfach, mich zu sehen. Da ist einfach mehr ein gesellschaftliches Quatschen, wie es mir so geht.

Anders ist es, wenn Touris kommen und Urlaub machen. Die sind dann mehr aufgeregt, aber meine sozusagen tatsächlichen Mitbewohner, die sind alle ganz entspannt.

NÖN: Als DJ ist es dein Job, gute Laune zu verbreiten. Wie schaffst du das, wenn du selbst einmal keine gute Laune hast und müde bist?

Jaehn: Die vorhin angesprochenen Übungen helfen. Du kannst dann für den Moment stressige und negative Gefühle ausblenden und dich auf etwas Schönes konzentrieren. Wenn ich darauf den Fokus packe, bekommen wir das schon hin.

NÖN: Was verschafft dir denn persönlich gute Laune?

Jaehn: Ruhe. Ich wohne ja sehr ländlich, nämlich am Feldrand, und bin tatsächlich derzeit viel im Garten und zupfe Unkraut. Ich habe eine große Rasenfläche, die aktuell noch mit Disteln, Klee und allem Möglichen vollgewuchert ist. Aktuell versuchen wir Zentimeter für Zentimeter, das sauber zu kriegen.

Wenn man dann am Abend aus dem Fenster sieht und merkt, „ach die Fläche hier, die sieht jetzt aber schön aus“, dann ist das ein tolles Erfolgserlebnis. Außerdem ist man währenddessen im Moment und bei der Sache. Du denkst nicht darüber nach, wo du gerade in den Charts bist, was du noch alles machen musst etc. – das Handy liegt drinnen und du bist beim Unkraut. Das ist total meditativ.

NÖN: Deine Nummern sind sehr vielfältig – keine klingt wie die andere. Ist dir das wichtig oder die logische Konsequenz der Zusammenarbeit mit den unterschiedlichen Musikern?

Jaehn: Ich glaube, es ist ein bisschen etwas von beiden. Ich versuche natürlich bewusst, dass sich nichts wiederholt, weil ich es langweilig finde, wenn man auf der Stelle tritt. Und gucke natürlich schon immer, wo ich mich weiterentwickeln kann – textlich, songtechnisch, aber auch soundtechnisch und als Produzent.

Das sind alles kleine Mini-Entscheidungen, die am Ende aber den Sound ausmachen. Auch wenn ich mit OMI gerade wieder eine neue Single rausgebracht habe – es gibt fast nie den Fall, dass zwei Mal die gleiche Stimme auf Liedern von mir drauf kommt. Das sind dann wirklich nur Ausnahmen. Dadurch erhält jedes Lied eine eigene Klangfarbe, weil es einfach eine ganz andere Stimme ist. Das ist natürlich ein ganz großer Vorteil von mir: Dass man flexibel ist und sich immer weiterentwickeln kann.

NÖN: Du arbeitest gern mit Nachwuchskünstlern. Warum? Was ist anders an der Arbeit mit ihnen?

Jaehn: Das sind, glaube ich, zwei Sachen. Die sind oft ein bisschen aufgeregter, bringen noch mehr Energie und Neugierde mit ins Studio. Teilweise zittern die vor einer Session auch oft, weil sie mit Felix Jaehn auftreten. Da muss man erst mal mit denen quatschen, damit die runterkommen. Du musst ja auch entspannt sein, um eine gute Vocal-Performance machen zu können. Diese Arbeit macht natürlich total viel Spaß. Und dann ist es auf einer kühleren Betrachtungsweise rein wirtschaftlich entspannter, diese Songs dann auch an den Start zu kriegen.

Denn wenn du mit großen Namen arbeitest, hängen da oft riesen Plots dran, Teams und Releasedaten. Das ist oft auch total kompliziert. Außerdem finde ich, dass nicht der Name das Wichtigste ist, sondern das Musikalische. Wenn jemand für den Song gut passt und das gut klingt, dann ist es erst mal egal, wie viele Hits der oder die schon hat. Das muss einfach musikalisch passen. Und dann ist es natürlich auch schön wenn die Leute noch unkompliziert sind, Bock haben und das Projekt vorantreiben.

NÖN: Dein aktuelles Album heißt ja „I“. Wie wichtig findest du es denn, dass man sein eigenes Ich findet? Und würdest du sagen, dass du deines schon gefunden hast?

Jaehn: Das ist auf jeden Fall essenziell. Ich glaube, nur wenn man mit sich selbst eins ist, kann man auch Freude empfinden. Also dieses klischeehafte „man muss sich erst selbst lieben, bevor man andere lieben kann“ trifft auf jeden Fall zu, denn sonst hofft man immer, dass von außen irgendwas kommt, was einem hilft. Aber das lenkt nur vom Wesentlichen ab.

Denn in ruhigen Momenten ist man dann doch bei sich selbst. Wenn man mit sich selbst nicht rein ist, dann ist man nicht glücklich. Ob ich selbst mein Ich schon gefunden habe… Ich habe, glaube ich, schon einige wichtige Schritte auf dem Weg dorthin gemacht in den letzten Monaten und bin auf einem guten Weg. Ich fühle mich auch ausgeglichen. Aber auch ich habe natürlich so kleine Throwbacks, Momente, in denen man Sachen hinterfragt. Wo komme ich her? Wie hat sich das alles entwickelt? Ist das wirklich im Wesen meiner Selbst, was ich da tagtäglich tue?

Da muss man auch ein bisschen ausprobieren. Vor kurzem war ich zwei Wochen zelten in einem Kinderjugendlager als Gruppenbetreuer. Das hat mir fast mehr Spaß gemacht als alle Festivals in diesem Sommer zusammen. Das war eine total schöne, intensive Zeit, ich hab im Zelt gepennt und mit den Kids gespielt, die ein bisschen erzogen, Werte mitgegeben… Das zum Beispiel ist ein Aspekt, den ich im vergangenen Jahr in dieser verrückten, glitzernden DJ-Welt gar nicht hatte und wo ich gemerkt habe, dass mir diese Seite fehlt. Selbst zu wissen, was einem gut tut, ist wichtig.

NÖN: Du hast am 28. September Geburtstag. Wie feierst du?

Jaehn: Ich feiere auf Ibiza. Ich habe zwei Tage davor eine Show im Ushuaïa. Wir haben ein Haus gemietet, meine Brüder kommen mit und ein paar Kumpels, und dann werden wir da ganz entspannt feiern. Außerdem haben wir ein Boot gemietet und fahren nach Formentera und zurück, da kann man so schön segeln.

NÖN: Was wünscht du dir, wenn du die Kerzen auf deinem Geburtstagskuchen ausbläst?

Jaehn: In erster Linie Gesundheit für meine Familie, Freunde und alle anderen um mich herum. Also eigentlich für die ganze Welt, aber das kann man ein bisschen schwer beeinflussen. Ich feiere kurz danach dann auch eine Geburtstagsparty mit ein paar Freunden, und da habe ich gesagt, dass ich keine Geschenke will. Denn wenn ich was Materielles haben will, dann kaufe ich mir das.

Das hat einfach seinen Anreiz verloren. Da gibt es aber „Musik bewegt“, das ist eine Plattform, wo verschiedene Künstler verschiedene Projekte unterstützen. Da habe ich aktuell drei verschiedene Projekte auf meiner Seite. Ich  hab gesagt, bevor ihr euch überlegt, was ihr mir schenken sollt, spendet doch alle lieber ein bisschen was. Das ist, glaube ich, eine ganz schöne Sache. Das Geschenkproblem ist gelöst und ich zwinge alle ein bisschen zu spenden.