Monica Weinzettl und Gerold Rudle: „Wir bringen uns auf Ideen“
Seit 2006 stehen Monica Weinzettl und Gerold Rudle gemeinsam auf der Bühne. Das Kabarettisten-Ehepaar erzählt, wie viel Alltag in ihren Kabarettprogrammen steckt und wie sich das Älterwerden anfühlt.
NÖN: Herr Rudle, wie fühlt man sich mit 60?
Gerold Rudle: Lustigerweise sehr gut, es stört mich überhaupt nicht. Und ich habe nach wie vor nicht das Gefühl, dass ich gerne jünger wäre. Das ist der Lauf der Zeit. Und wenn es mir weiter so gut geht, dann bin ich zufrieden.
Sie haben mit 18, nur drei Monate vor der Matura, die Schule geschmissen, haben Sie das je bereut?
Rudle: Ich habe gewusst, mit 18 darf ich selbst entscheiden. Ich bin also nach den Weihnachtsferien ins Internat gekommen und habe den Lehrern eröffnet, dass ich die Schule nicht fertig mache. Natürlich haben Direktor und Lehrer versucht, mir das auszureden, aber letztendlich habe ich es nie bereut. Weil nach meiner Matura hat mich niemand mehr gefragt. Außerdem war es immer ein lustiges Streit-Thema in meinen ersten Kabarettprogrammen mit Herbert Steinböck. Er ist ja Magister und Lehrer und so konnten wir uns verarschen.
Sie haben zwölf Jahre lang mit Herbert Steinböck gespielt. Und nach Soloprogrammen mit Ihrer Frau Monica Weinzettl. Ist es einfacher, mit einer Frau oder einem Mann auf der Bühne zu stehen?
Rudle: Monica sitzt jetzt neben mir, selbstverständlich ist es leichter mit der eigenen Ehefrau auf der Bühne zu stehen. Es ist wesentlich besser, lustiger, fröhlicher und auch erfolgsversprechender.
Frau Weinzettl, geht man einander denn nicht irgendwann auf die Nerven?
Monica Weinzettl: Es hat nur Vorteile. Wir haben den gleichen Arbeitsweg, die gleiche Arbeitszeit und ich glaub‘, das Verständnis ist ein ganz anderes, als wenn man mit jemandem zusammen ist, der tagsüber arbeitet. Wenn wir Abstand brauchen, dann geht einer halt mit dem Hund in den Wald.
Rudle: Der Vorteil ist auch, dass wir die zusätzliche Arbeit zu den Auftritten irgendwann machen können.
Ich habe damals so ein bissl mitbekommen, was ein Shitstorm ist. Gerold Rudle
Wie lange kennen Sie einander? Sie haben bei MA 2412 schon gemeinsam gedreht.
Rudle: So richtig seit 2006. Bei MA 2412 haben wir uns nur gegrüßt. Ich habe die Serie auch nie super gefunden. Ich glaub‘, das war damals eine Neidsache. Herbert und ich geben uns wahnsinnig Mühe und die blödeln da herum mit falschem Gebiss und Perücken und die sind im Fernsehen und wir nicht.
Weinzettl: Geschmäcker sind verschieden.
Wer ist hauptsächlich für den Inhalt Ihrer Programme verantwortlich?
Weinzettl: Wir beide.
Rudle: Ich sag‘ immer spaßeshalber, die Programme schreibe ich, aber Monica diktiert sie mir. Davor habe ich einfach drauflosgeschrieben. Monica ist analytischer, will zuerst ein Gerüst bauen. Da war ich überrascht. So kann man es natürlich auch machen, sie hat einen großen Anteil. Es geht fast nur miteinander und wir stellen auch gemeinsam fest, wenn gar nix geht. Wir bringen uns gegenseitig auf Ideen.
Weinzettl: Stimmt, ich brauche oft einen Ansatz.
Worum wird es im neuen Programm „Fünfsternebeziehung“ gehen? Am 10. Oktober ist ja Premiere.
Weinzettl: Wir wollten ein bisschen zu unseren Wurzeln zurückkehren. In unserem ersten Programm „Paaranoia“ haben wir uns als Beziehungsexperten ausgegeben. Das machen wir jetzt nicht, nach einer 17-jährigen Beziehung sind wir schon Experten. Aber wir wollen weg vom Klassischen. Natürlich geht es um Beziehung, dafür stehen wir. Wir spielen auch nach wie vor Kabarett, keine Comedy und kein Stand-up, wollen aber ein bisschen moderner werden.
Wie viel von Ihrem Alltag findet sich in den Programmen wieder?
Rudle: In den bisherigen Programmen ist es gar nicht mal so wenig. Das Lustige ist, ich hab‘ früher in Interviews immer gesagt, von uns nix. Wir gehen einfach mit offenen Augen und Ohren durch das Leben, schauen uns an, was andere Paare so erleben, und bringen es auf die Bühne. Ich habe aber dann gemerkt, dass schon viele Dinge von uns dabei sind, zum Beispiel, dass in jedem Programm Rapid vorkommt, oder dass ich so patschert bin und Monica so handwerklich begabt. Wir haben auch immer wieder ganze Passagen drinnen, wo ich dann beim Schreiben neue Dinge erfahre. Alleine diese Bierdeckel-Geschichte, die war ja wahrhaftig so. Monica hat aus einer Truhe einen Couchtisch mit Glasplatte gemacht. Damit dieser Glasplatte nix passiert, habe ich aus dem Pub Bierdeckel mitgenommen und die unters Glas gelegt.
Weinzettl: Im Schreiben ist es dann entstanden. Du verschandelst unser Wohnzimmer mit Ottakringer Werbung. Vor allem, er nimmt ja dann das Glas weg, aber der depperte Untersetzer bleibt liegen.
Rudle: Das hab‘ ich aber natürlich nie so gesehen, ich dachte, das ist eine Wertschätzung deinem Couchtisch gegenüber.
Merken Sie noch was von der Pandemie?
Weinzettl: Wir sind sicher durch ein Tal gegangen. Der absolute Niedergang war, als das Publikum mit Masken drinnen sitzen musste und wir ohne Pause spielen mussten. Und obwohl ich wusste, dass die Leute Masken tragen, war es ein Schock. Dieses Bild werde ich nie aus dem Kopf kriegen. Da haben wir beide auch gesagt, wir spielen nicht. Der Herbst war auch noch übel, da habe ich mir kurz gedacht: „Lassen wir es“.
Rudle: Es geht grad wieder richtig los. Die letzten Vorstellungen waren ausverkauft. Wir haben uns aber schon die Sinnfrage gestellt.
Herr Rudle, Sie werden auch als Meister des Erzählens bezeichnet. Gefällt Ihnen diese Beschreibung?
Rudle: Ich finde, das trifft es gut. Ich kann eine langweilige Geschichte echt spannend und lustig erzählen. Meine Soloprogramme sind kaum sehr viel anderes gewesen.
Sie haben in der Serie „Mitten im Achten“ mitgespielt. Tut es noch weh, dass sie kein Erfolg war?
Rudle: Nein, jetzt nicht mehr. Die Faktoren, warum das gescheitert ist, sind zumindest aus meiner Sicht vielfältig. Es hätte schon ganz lustig werden können, aber sie haben uns viel zu wenig Zeit gegeben. Wir hatten eine Produktionsleiterin aus Deutschland, die bei GZSZ weggekauft wurde, die hat uns nach den ersten grauenvollen Beschimpfungen zusammengerufen und uns erzählt, dass es bei GZSZ genauso war. Und wupp, nach einem Jahr – und keiner wusste, warum – haben es sich alle angeschaut. Die Chance hatten wir nicht. Und es ist halt schwierig, wenn eine Geschichte in Wien spielt und man deutsche Regisseure holt, die mit dem Wiener Schmäh nichts anfangen.
Weinzettl: Ich fand es nicht so schlimm für die kurze Zeit. Da haben viele Leute ihren Job nicht können und da meine ich ganz oben. Ich war damals im Autorenteam. Wir drehen in Österreich vier bis fünf Sendeminuten pro Tag, bei MA 2412 waren es mit 17 Minuten schon viel, aber da haben wir viel aufgebaut gehabt. 22 Minuten pro Tag wie bei „Mitten im Achten“ sind ein unpackbares Pensum.
Was war besonders schlimm?
Rudle: Ich habe damals so ein bissl mitbekommen, was ein Shitstorm ist. Wenn Zeitungen zum Beispiel über den nervigsten Kabarettisten abstimmen lassen. Das tut schon weh. Mir hat es vor allem auch leid getan für meine Tochter.
Würden Sie trotzdem gerne wieder drehen?
Rudle: Ja, zum Beispiel in einer Soko Folge.
Den Kommissar vielleicht in Soko Purkersdorf?
Rudle: Natürlich, das würde ich sofort machen.
Weinzettl: Das Problem ist nur, in Purkersdorf passiert nix. Es wollte jemand eine Demonstration anmelden, weil das Shakespeare Pub zu hatte. Aber es war wurscht, weil das Pub wieder aufgesperrt hat, die Demo haben wir trotzdem gemacht.
Sie fühlen sich also wohl in Purkersdorf?
Weinzettl: Unlängst haben wir überlegt wegzuziehen. Aber hier ist es einfach schön. Du hast eh in jeder Gemeinde dieselben Probleme, es wird alles zubetoniert. Hier geh’ ich ungeschminkt mit Hund zum dm. Und wenn mir wer entgegenkommt und sagt „Ah, Prominenz“, antworte ich „Sie gewöhnen sich dran“. Wir bleiben da, außer unser Wohnmobil ruft.